Donnerstag, 12. Januar 2012

„Sehen“ als zukünftiges Motto der Erziehung

Eine Stellungnahme zur These von J. Molzahn (1928): „Nicht mehr lesen! Sehen! Wird das Motto derEerziehungsfragen sein.“

In unserer heutigen Zeit werden Fotos gegenüber Texten meist bevorzugt, was sicherlich mit dem riesigen Informationsfluss, mit dem wir täglich durch Zeitungen, Illustrierte, Internet und Fernsehen konfrontiert werden, zusammenhängt. Aber auch mit der Tatsache, dass die auf einem Foto gezeigten Ereignisse schneller erfassbar sind, als ein Text zu lesen ist. Von daher denke ich, dass Fotos auch immer mehr Teil unserer Erziehung werden, denn in vielen fotojournalistischen Bildern steckt schon eine Erziehung. Schließlich ist auch diese ein Teilbereich der Fotografie. Es gibt Fotografen, die mit ihren Fotos lediglich einen schönen Moment festhalten wollen, doch meiner Meinung nach ist auch dies schon eine Art der Erziehung, denn ein Foto vermittelt hier etwas Sehenswertes.
Ein Foto vermittelt dem Betrachter, also je nach Motiv eine bestimmte Wirkung, eine bestimmte Richtlinie. Oft ist es Kritik an einer Situation wie Unrecht, Gewalt und Krieg. In diesem Fall lautet der Appell an den Betrachter: Ändere etwas, setze dich mit der Situation auseinander! Dies bezieht sich natürlich nicht auf jedes Foto, aber ein Appell, der mit wenigen Ausnahmen jedem Foto inne wohnt ist: Schau hin! Denn Fotos wollen gesehen werden. Genau wie Molzahn anmerkt, rückt das Sehen immer weiter in den Vordergrund, zwar spielte das Sehen schon immer eine große Rolle, aber vor allem durch die Technisierung wurde diese verstärkt. Das Sehen steht also vor allen anderen Sinnen im Mittelpunkt und laut Molzahn auch zukünftig in der Erziehung.
Ich denke, dass die Erziehung auch jetzt schon ein wichtiger Teil der Fotografie ist. Beispielsweise durch ein abschreckendes Motiv wird beim Betrachter Ekel und Schrecken hervorgerufen. Dies erzieht insofern, dass man weiß, dass man sich selbst einer solchen dargestellten Situation nicht aussetzen und diese verhindern will.
Dennoch kann man nicht davon ausgehen, dass jedes Foto die vom Fotografen gewollte Aussageabsicht und Wirkung beim Betrachter erzielt. In diesem Zusammenhang ist die Philosophie der Fotografie von großer Bedeutung, denn nur durch sie ist es möglich, sich intensiv mit einem Bild auseinanderzusetzen. Wenn der Betrachter das Bild lediglich ansieht, aber nicht darüber reflektiert, ist er nach Schiller ein Wilder, der die Sinne nur zur Bedürfnisbefriedigung nutzt.
Meiner Meinung nach ist gerade der Prozess der Reflexion von größter Wichtigkeit, denn wenn wir die Fotos nicht hinterfragen, ist dies eine Art der Fremdbestimmung. Der Mensch der seine Umwelt so hinnimmt, wie sie ist, nicht darüber reflektiert oder versucht sie zu ändern ist laut Kant unmündig, da er nicht fähig ist sich eine eigene Meinung zu bilden, die auf eigenen Überlegungen aufbaut. „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ (Berliner Monatsschrift, Immanuel Kant).
In diesem Zusammenhang stellt sich also die Frage: Klären Fotos auf? Und an diesem Punkt ist die Philosophie der Fotografie Teil der Lösung. Nur wenn man das Foto nicht so hinnimmt, wie es ist, sondern überlegt, mit welcher Intention es gemacht worden sein könnte, welchen Eindruck es beim Betrachter hervorruft und ob es überhaupt sinnvoll ist ein solches Foto zu machen und zu zeigen, dann kann die Erziehung auf richtige Weise erfolgen. Man sollte immer die Frage nach der Wahrheit und Wirklichkeit stellen. Zeigt das Foto die Realität oder ist es manipuliert? Da dies bei vielen Bildern vergessen wird, sehe ich die Gefahr, dass die Fotografie den Menschen in falscher Weise beeinflusst.
Ich stimme Molzahn aber zu, dass „Sehen“ das zukünftige Motto der Erziehungsfrage sein kann, frage mich aber, ob dies ein „richtiges“ Mittel zur Erziehung ist, oder den Menschen wieder einen Schritt zurück in die Unmündigkeit führt.

Gwen Saleh

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