Samstag, 23. Juli 2011

Die Mauern der Freiheit

Ich werde in die Welt geboren. In eine Nation, eine Gesellschaft, eine Familie. Ob krank oder gesund, dies liegt nicht in meiner Macht. In der Wahl meines ersten Lebensraums bin ich zutiefst unfrei. Der Ursprung meines Lebens ist determiniert. Herr Sartre, Sie haben völlig Recht, ich bin in die Welt geworfen. Dies ist die erste Unausweichlichkeit meines Lebens, der erste Akt des Schicksals.
Wie ich in diese Welt geworfen bin, so bin ich auch vorherbestimmt, in ihr zu sterben. Das Faktum der Sterblichkeit stellt die zweite Unausweichlichkeit meines Lebens dar. Geburt und Tod bilden die vermutlich einzigen Konstanten meiner Existenz und zugleich sind es die Mauern, zwischen denen sich mein Leben erstreckt. Ich befinde mich in ständigem Bewusstsein meines Determinismus. Es beengt mich, Angst untergräbt meine Freiheit, sie erfährt ihre Grenzen, scheint sinnlos.

Was ist die Freiheit wert, wenn sie unmittelbar aus einem Determinismus wie der Geworfenheit entspringt? Ist der Mensch völlig unfrei?Das Bewusstsein seiner Endlichkeit bedingt den Menschen massiv, er ist Gefangener seiner Erkenntnis. Intensiviert wird sein Bewusstsein durch tägliche Vergegenwärtigungen, wie etwa die Nachricht einer Naturkatastrophe oder einem Todesfall in der Familie. Es liegt nahe, das menschliche Sein als zutiefst unfrei zu empfinden.
Erfahren wird der Mensch seine Mauern als solche jedoch nie, lediglich ihren Anzeichen, wie etwa das Altern, wird er sich beugen. Die einzigen Hinweise ihres Daseins sind Schatten, die sie auf den Menschen werfen. So ist und bleibt das Leben an sich das einzig Spürbare, in ihm ist der Mensch er selbst, nur dort kann er sich verwirklichen. Aus nahezu jedem Determinismus schöpft der Mensch seine Freiheit.
So ist er zwar unmittelbar durch seine Mauern bedingt, letztlich bleibt es ihm aber selbst überlassen, wie präzise er diese ergründet. In einer Welt, in der Determinismen allgegenwärtig sind, entwirft der Mensch seine Freiheit. Auf diesem Hintergrund verliert die Freiheit ihren relativen Charakter, sie scheint nicht mehr durch Determinismen bedingt, sondern existiert nur durch und für den Menschen. Die Freiheit ist zutiefst menschlich.
In ihrer „Gesamterscheinung“, als deterministisches Produkt, besitzt die Freiheit nur relativen Geltungsanspruch. In dem, was sie ausmacht, ihrem Gebrauch durch den Menschen, kann sie allerdings nur eines sein: absolut.

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