Freitag, 8. Juli 2011

"Augen auf für Xavier Dolan!"



„Das Paradoxe ist, ich kann meine Mutter nicht lieben, aber ich kann sie auch nicht nicht lieben.“ Dies sind die Worte des 16 Jährigen Hubert Minel, welcher mit seiner Mutter in einem Vorort von Montreal lebt. Hubert liebt Literatur und Kunst, fühlt sich in seinen Gedanken allein und unverstanden. Da sind ihm auch die familiären Umstände keine Hilfe, im Gegenteil: sein Vater hat die Familie verlassen und das Verhältnis zu seiner Mutter ist von Hass geprägt. Sei es ihre Vorliebe für Sonnenstudios, das alltägliche Schminken während des Autofahrens oder der Frischkäse, welcher ihr beim Essen an den Mundwinkeln klebt. Hubert empfindet eine tiefe Abneigung gegenüber diesem ordinären, mittelmäßigen Verhalten. Es verleitet ihn dazu, seine Mutter zu hassen, er kann einfach nicht ihr Sohn sein.

Aussprache und Verständnis findet Hubert bei seinem Freund Antonin, mit dem er seit zwei Monaten zusammen ist, sowie bei seiner Lehrerin, welche seine Gedanken teilt und zunehmend in die Mutterrolle hineinwächst.

Die emotionale Odyssee des Erwachsenwerdens, die Suche nach Halt und Verständnis in der Gesellschaft sowie die Diskrepanz zwischen Herkunft und eigenem Schaffen werden durch den Blickwinkel des jungen Huberts betrachtet. Zu den Schwierigkeiten des eigenen Seins wird die Definition von Liebe und Zuneigung in den Mittelpunkt gerückt. So mündet die Intention des Films in der Problematik des eigenen Denkens und dem Wirken auf andere, dem Verstehen und verstanden werden.

„I killed my mother“(original: “J'ai Tué Ma Mère”) wurde 2009 auf seiner Premiere beim Filmfestival in Cannes frenetisch umjubelt. Mit gerade einmal 17 Jahren schrieb der Frankokanadier Xavier Dolan das Drehbuch zu seinem ersten Film, führt bei der Verfilmung zwei Jahre später Regie und nimmt die Hauptrolle des Hubert Minel ein. Die existenziellen Schwierigkeiten eines Jugendlichen zwischen Kunst und häuslicher Durchschnittlichkeit werden mit Hilfe von ästhetischen und detailreichen Darstellungen verinnerlicht. Die Filmmusik, welche von Klassik über französischen Pop/Rock reicht, untermalt den Charme des Films.

Mit „I killed my mother“ schafft es Xavier Dolan, Kunst und Greifbarkeit zu vereinen. Perfekt für Nachdenkliche und alle, die nicht so recht wissen, wohin mit sich. In jedem Fall authentisches, anspruchsvolles Kunstkino voller Farbe und Frische!


von F. Hartmann

Und hier der neuste Film von X. Dolan:

1 Kommentar:

heimwehbilder hat gesagt…

Mich macht der Text neugierig auf den Film. Besonders den Themenkreis Identität (Suche nach sich selbst), Erwachsenwerden, das Fragenstellen finde ich im heideggerschen Sinne be-denkenswert.