Montag, 16. April 2012

Stop Kony Teil II – Moderne Aggressionsableitung

Gewalt am Bahnhof. Gewalt auf offener Straße. Gewalt am Individuum. Das Gewaltpotenzial einer neuen Generation Menschen hat sich verändert. Auch „Stop Kony“ gehört zu einem neuen Schlag von Gewalt. Multifaktorale Ursachen bedingen diese These.

Es ist festzuhalten, dass Zeit heutzutage Mangelware ist. Um in diesem sozialen Gefüge mit hohen Anforderungen zu überleben, muss hart gearbeitet werden. Zeit für Anderes bleibt kaum. Nach Freuds Psychoanalyse herrscht im Menschen selbst ein Konflikt. Das Gewissen (Über-Ich) und die Triebe (Es) erzeugen das Bild Mensch, was wir nach außen hin verkörpern (Ich). Die Triebe setzen sich aus Libido und Destrudo zusammen. Das Verlangen nach Lust und Zerstörung ist in den Trieben verankert. Somit könnte ein Überschuss der Triebe einen „destruktiven Antrieb“ des Menschen begünstigen.
Nach den Aggressionstheorien von Irenäus Eibl-Eibesfeldt können die Gründe für Gewalt gleich mit mehreren Komponenten begründet werden. Sein ethologisches Interaktionsmodell legt ein gewalttätiges Handeln durch Triebkomponenten, Gruppenzwang und Reizüberschuss nahe. Der Mensch sei immer noch von steinzeitlicher Emotionalität trotz kultureller Anpassung und hoher Technologie.

Das Informationszeitalter führt zu einer neuen Art von Gewalt. Es ist nicht nur der Fall, dass durch Ego-Shooter ein Gewaltpotenzial gefördert wird, sondern auch auf Plattformen wie YouTube nach den Trieben gelebt wird.
Aber woran liegt es, dass ein Bedürfnis entsteht, auf sich aufmerksam zu machen und andere zu beleidigen?
Jean-Paul Sartre sagte einst: „Die Hölle, das sind die anderen.“ Sartre deutet hier ein Feindbild an. Feindbilder, genau wie Gewalt, sind schon ewig von Natur aus in der Menschheitsgeschichte verankert gewesen. Als Paradebeispiel dient das dritte Reich, wo die Juden als Schuldigen hingestellt worden sind und als Ansporn für einen „Totalen Krieg“ dienten.

Der deutsche Philosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel nannte den Krieg den Vater aller Dinge. Nach dem Prinzip der Dialektik kann es nie zu einem Stillstand und einem unendlichen Frieden kommen. Aus dem Endgegenwirken der Staaten entspringt ein Krieg. Hegel meint, dass es nach dem Krieg zwar zum zeitweiligen Frieden komme, danach aber eine notwendige Bewegung vonnöten sei, um die Sittlichkeit zu bewahren. Es wohne ihm der sittliche Moment inne. „Trotzdem aber finden Kriege, wo sie in der Natur Sache liegen, statt [...]“.

„Stop Kony“ zeigt Gaven, den Sohn des Filmemachers Jason Russel. Er werde ihm in dem Video, so Russel, erklären, was es mit dem Rebellenanführer der LRA, Kony, auf sich hat. Vor dem Jungen liegt nun ein Foto von Kony. Da Gaven noch sehr jung ist und gerade seinem Vater gegenüber ein Urvertrauen vorliegt, erkennt Gaven in Kony ein Feindbild. Es ist der schon fast klischeehafte „schwarze böse Mann“. Das ist eine Seite des Videos Stop-Kony.
Auf der anderen Seite wird gegen Kony gehetzt. Wie im ersten Teil des Essays (Invisible Children transparent?) schon erwähnt, ist das vom Prinzip her nicht falsch. Nur die Umsetzung weckt Zweifel an dem Vorhaben.
Geht man von Eibesfeldt Theorie aus, so leben die Aktivisten von Invisible Children nur ihre angestaute Wut auf den LRA-Führer Kony innerhalb eines Videos aus. YouTube als Ableiter für Wut in der modernen Gesellschaft. Welche Wirkung wird dieses Video haben?
Wird nun ein Mobb weißer Menschen unter vielen Schwarzen einen Schuldigen suchen? Wird das Gewaltpotenzial in der Gesellschaft gefördert und eine Reaktion provoziert, die immense Auswirkungen haben kann?
Festzuhalten ist, dass die Folgen solcher suggestiven Videos wie „Stop Kony- 2012“ nicht absehbar sind. Außerdem findet man in der modernen Kultur und auch auf Internetplattformen immer noch den Menschen „steinzeitlicher Emotionalität“ wieder. Das Prinzip hat sich nicht geändert, nur die Art und Weise der Gewalt hat sich verlagert. Letztlich führt meistens ein Weg vom Computer und Videos im Netz weg und man findet sich in der Realität wieder. Das endet dann auch einmal im Ausleben der Gewalt am Bahnhof, auf offener Straße und am Individuum.

Vincent Lubbe

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vorsicht, Sartre möchte andere Menschen mit dem Zitat "die Hölle- das sind die anderen" aus seinem Drama "geschlossene Gesellschaft" nicht auf ein Feindbild hindeuten! Viel mehr meint er, dass ein Urteil über sich selbst immer die Meinung anderer Menschen über einen selbst mit einschließt. Dies zeigt die enorme Abhängigkeit von den Urteilen anderer und ist für Sarte ein höllenähnlicher Zustand.

F.H.

Anonym hat gesagt…

Das mit dem Urteil über sich selbst (in der Kategorie Mensch) möchte ich betonen. Nur ist das den meisten Menschen nicht klar, wenn sie andere verurteilen ... meiner Ansicht nach kann auf diese Weise kaum eine anthroPROlogische Grundeinestellung entstehen. Was schade ist ...

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